Minderleister, Low Performer

„Low Performer“ oder Minderleister – Wie viel Leistung kann der Arbeitgeber verlangen?

Es kommt häufig vor, dass ein Arbeitgeber andere Erwartungen an die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers stellt, als dieser zu erfüllen vermag. Sogenannte „Low Performer“ können hohe wirtschaftliche Einbußen bedeuten und sich wie ein rotes Tuch auf den Betriebsfrieden auswirken.
Aber gilt der Grundsatz: keine Arbeitsleistung = keine Vergütung? Und welche ggf. weiteren Möglichkeiten stehen dem Arbeitgeber zur Verfügung, um einer Schlecht- oder Nichtleistung zu begegnen?

A) Arbeitsverhältnis: Gegenseitigkeits- und Austauschverhältnis

Welche Leistung der Arbeitnehmer als Schuldner im Arbeitsverhältnis erbringen muss, ist Ausgangspunkt der Frage nach „Low Performing“. Während der Arbeitnehmer schuldet, die Arbeitsleistung zu erbringen, ist der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer zur Vergütung verpflichtet. Das Arbeitsverhältnis ist ein Gegenseitigkeits- und Austauschverhältnis von Haupt- und Nebenleistungspflichten. Der Arbeitgeber tritt als Gläubiger, der Arbeitnehmer als Schuldner der Arbeitsleistung auf. Nach einem als Dienstvertrag zu qualifizierenden Arbeitsvertrag schuldet der Arbeitnehmer grundsätzlich keinen Erfolg, sondern die bloße Dienstleistung als Hauptleistungspflicht.

B) Was sind „Low Performer“?

Die Bezeichnung „Low Performer“ umfasst letztlich die Arbeitnehmer, die Leistungsstörungen liefern. Man unterscheidet hierbei zwischen vier Fällen:

  • 1. Der „Low-Performer“ im eigentlichen Sinn: Der Arbeitnehmer erbringt Arbeit von schlechter Qualität.
  • 2. Der Minderleister: Der Arbeitnehmer erbringt Arbeit von schlechter Quantität.
  • 3. Der Fehlleister: Der Arbeitnehmer erbringt andere Arbeit als er eigentlich soll.
  • 4. Der Nichtleister: „Freitag-Montag-Syndrom“: Der Arbeitnehmer erbringt keine Arbeit.

C) Leistungspflicht kann nur subjektiv beurteilt werden

Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur setzt einen subjektiven Maßstab zur Beurteilung der Leistungspflicht an. Ein Arbeitnehmer ist danach nur verpflichtet, seine individuelle Leistungsfähigkeit auszuschöpfen. Er muss sich also nicht an einem „Durchschnittsmitarbeiter“ messen lassen; vielmehr hat er nach seinem persönlichen Können das zu leisten, was ihm individuell möglich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gibt es schlichtweg immer ein „Schlusslicht“, sodass eine rein objektive Maßstabsbetrachtung der Leistungserbringung nicht sachgerecht wäre.

D) Vergütungskürzung ‒ ja oder nein?

Der Arbeitgeber ist trotz nachweisbarer Schlechtleistung nicht befugt, die vereinbarte Vergütung zu kürzen. Anders ist dies nur bei unentschuldigter Nichtleistung: Wenn der Arbeitnehmer seiner Arbeitsverpflichtung ohne Entschuldigungsgrund nicht nachkommt, können entsprechende Vergütungsanteile einbehalten werden. Auch im Rahmen des innerbetrieblichen Schadenausgleichs, wenn also dem Arbeitgeber aufgrund der Schlechtleistung des Arbeitnehmers finanzielle Schäden entstehen, kann der Arbeitnehmer, je nach Verschuldensgrad, der ihm zur Last gelegt wird, an dem Schaden beteiligt werden.

E) Der Vorgesetzte ist immer auch Führungsperson

Personalführungsverantwortung bedeutet auch, dass Probleme rechtzeitig mit dem Arbeitnehmer besprochen werden.
Nur wenn dieser weiß, was von ihm erwartet wird, kann er versuchen, diese Erwartungen zu erfüllen.
Die Erforschung der Ursachen der Schlechtleistung gehört ebenfalls zu den wichtigen Führungsinstrumenten. Häufig sind private Probleme, die womöglich nur eine vorübergehende Belastung für den Arbeitnehmer darstellen, der Grund für fehlerbehaftetes Verhalten.

PRAXISTIPP
Führen Sie standardisiert wiederkehrende Mitarbeitergespräche mit entsprechender Dokumentation der Bewertung und ggf. Verbesserung der Arbeitsleistung. Dies sind gute Mittel, um Probleme zu erkennen, Mitarbeiter zu fördern und Ressourcen zu optimieren.

F) Arbeitsrechtliche Möglichkeiten

Die arbeitgeberseitige Kündigung stellt ‒ wie immer im arbeitsrechtlichen Gefüge ‒ das letzte Mittel aller Möglichkeiten dar.
Wenn es sich um steuerbares Verhalten handelt („Der Arbeitnehmer kann, er will aber nicht.“), so ist eine verhaltensbedingte Kündigung nach vorheriger Abmahnung denkbar.
Handelt es sich bei der Schlechtleistung jedoch um nicht steuerbares Verhalten und sind die Probleme in der Person des Arbeitnehmers begründet („Der Arbeitnehmer will, aber er kann nicht.“), kommt eine personenbedingte Kündigung in Betracht.
Die Unterscheidung, ob das Fehlverhalten steuerbar ist oder nicht, ist im Einzelfall schwierig zu treffen.

PRAXISTIPP
Um Kündigungsrechtsstreitigkeiten zu vermeiden, ist es wichtig, frühzeitig zu handeln. Wenn Fehlverhalten über einen langen Zeitraum geduldet wird, dann ist es kaum möglich, eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung zu rechtfertigen.

Vier Grundsätze der Rechtsprechung:

  1. Ein Arbeitnehmer hat das zu tun, was er soll, aber eben auch nur so gut, wie er es kann. Die Leistungspflicht ist nämlich nicht starr, sondern dynamisch und orientiert sich an der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers.
    Ein objektiver Maßstab ist gerade nicht anzusetzen
    vgl. BAG, 17.1.2008 – 2 AZR 752/06.
  2. Geschuldet ist nicht eine kaum feststellbare abstrakte Normalleistung, sondern die Normalleistung, die sich aus den individuellen Fähigkeiten des Kollegen ergibt, ohne dass dieser dabei einen gesundheitlichen Schaden erleidet
    vgl. BAG 20.3.1969 – 2 AZR 283/68.
  3. Das bedeutet auf der anderen Seite nicht, dass der Arbeitnehmer seine Leistungspflicht selbst bestimmen darf. Vielmehr muss er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten
    vgl. BAG 11.12.2003 – 2 AZR 667/02.
  4. Das wiederum bedeutet, dass jeder Mitarbeiter konzentriert und sorgfältig zu arbeiten hat und die Arbeit nicht unterbrechen darf, um privaten Interessen nachzugehen
    vgl.BAG, 14.1.1986 – 1 ABR 75/83.

Alternativen zur Kündigung
Häufig denkt der Arbeitgeber über eine Kündigung nach. Dabei sollten Führungskräfte stets Alternativen zu einer Kündigung im Blick zu behalten:

  • Abmahnung

Ist eine Schlecht- oder Minderleistung im Verhalten begründet, muss vor einer Kündigung unbedingt das Fehlverhalten abgemahnt werden.

  • Alternativer Arbeitsplatz

Stets sollte geprüft werden, ob die Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz möglich sein könnte. Insoweit kann dem Low Performing in vielen Fällen (durch eine Umsetzung, Versetzung oder Abordnung im öffentlichen Dienst) begegnet werden – natürlich nur mit Zustimmung von Betriebsrat/Personalrat.

  • Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

Liegt die Schlecht- oder Minderleistung nicht im Verhalten des Kollegen begründet, sondern liegt eine gesundheitliche Störung vor, könnte auch die Durchführung eines BEM helfen. Dadurch soll gerade der Verlust des Arbeitsplatzes vermieden werden. Voraussetzung dafür ist allerdings stets, dass Arbeitsunfähigkeitszeiten von mehr als sechs Wochen vorliegen und Arbeitnehmer*in sich zur Durchführung eines BEM bereit erklärt.

  • Teilzeit

Wird die Schlecht- oder Minderleistung durch eine Arbeitsüberlastung hervorgerufen, kann auch eine Verringerung der Arbeitszeit helfen.

  • Unterstützung durch technische Hilfsmittel

Auch Veränderungen am Arbeitsplatz und insbesondere technische Hilfsmittel können dazu beitragen, dass die ursprüngliche Leistungsfähigkeit wiederhergestellt wird. Das gilt insbesondere bei von Schwerbehinderung betroffenen ArbeitnehmerInnen, für die es eine Vielzahl von Hilfsmitteln am Arbeitsplatz gibt. In diesen Fällen sollte der Integrationsfachdienst der Bundesagentur für Arbeit zu Rate gezogen werden.

  • Worst Case: Kündigung

Nicht immer helfen die zuvor genannten Maßnahmen und leider steht die Kündigung von leistungsschwachen ArbeitnehmerInnen schnell im Raum. Das BAG hat zur arbeitgeberseitigen Kündigungsmöglichkeit von Low Performern eine Reihe von Urteilen gefällt und seine Rechtsprechung immer wieder weiterentwickelt.
Allerdings gibt es eine grundlegende Entscheidung, die Sie kennen sollten:

BAG 17.1.2008 – 2 AZR 536/06

In dem Fall entschied das BAG, dass die längerfristige deutliche Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerhäufigkeit durch einen Arbeitnehmer ein Anhaltspunkt dafür sein kann, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt.

Sachverhalt: Seit über 10 Jahren war eine Lager- und Versandarbeiterin in einem Versandkaufhaus beschäftigt. Dann stellte die Arbeitgeberin nachweisbar fest, dass die von der Arbeitnehmerin gepackten Pakete und Sendungen Fehler aufwiesen. Über einen längeren Zeitraum hinweg lagen mindestens 3-mal so viele Packfehler als die durchschnittliche Fehlerquote an vergleichbaren Arbeitsplätzen vor. Die Arbeitnehmerin erhielt erst Hilfestellungen und schließlich 2 Abmahnungen. Als auch das nicht half, die Fehlerquote zu senken, erhielt sie die Kündigung.

Kündigung sozialwidrig?

Das BAG hielt die Kündigung für sozialwidrig und damit unwirksam. Zunächst stufte es die Kündigung als verhaltensbedingte Kündigung ein. Die verhaltensbedingte Kündigung gegenüber einem leistungsschwachen Arbeitnehmer kann zwar nach § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten dadurch vorwerfbar verletzt, dass er fehlerhaft arbeitet. Ein Arbeitnehmer genügt aber seiner Vertragspflicht, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeitet.

Individuelle Leistungsfähigkeit maßgeblich

Er verstößt nicht allein dadurch gegen seine Arbeitspflicht, dass er die durchschnittliche Fehlerhäufigkeit aller Arbeitnehmer überschreitet!

Erhöhte Fehlerquote als Kündigungsgrund

Allerdings kann die längerfristige deutliche Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquote je nach tatsächlicher Fehlerzahl, Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt. Die Kündigung kann daher aus verhaltensbedingten Gründen gerechtfertigt sein, da die Arbeitnehmerin nach den Behauptungen der Arbeitgeberin über einen längeren Zeitraum eine qualitativ erheblich unterdurchschnittliche Leistung erbracht hatte. Nun kam es darauf an, wer was zu beweisen und insbesondere zunächst einmal darzulegen hat.

Die Darlegungslasten

Kann der Dienstherr eine über einen längeren Zeitraum qualitativ erheblich unterdurchschnittliche Leistung nachweisen, muss der Arbeitnehmer erläutern, warum er angesichts dieser unterdurchschnittlichen Leistungen seine Leistungsfähigkeit nicht besser ausgeschöpft hat.

Dukomentation

Bereits im Vorfeld eines angehenden Rechtsstreits sollte eine umfassende Dokumentation angefertigt werden. Ziel muss sein, damit klarzumachen, warum unterdurchschnittlicher Leistungen vorliegen und ob die Leistungsfähigkeit tatsächlich voll ausgeschöpft wird.

Schlechtleistung verschuldet?

Soll ArbeitnehmerInnen wegen einer Schlecht- oder Minderleistung gekündigt werden, stellt sich die zentrale Frage, ob eine personenbedingte oder eine verhaltensbedingte Kündigung auszusprechen ist:

  • Liegt eine verschuldete Schlecht- oder Minderleistung vor, muss die Kündigung nach den Voraussetzungen geprüft werden, die für eine verhaltensbedingte Kündigung im Arbeitsrecht gelten. In der Regel ist jedoch zunächst eine Abmahnung erforderlich.
  • Liegt eine unverschuldete Schlecht- oder Minderleistung vor, kann Arbeitgeber*in allenfalls zu einer personenbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG greifen.

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