Wie wählen Sie die richtigen Führungskräfte aus?

Im Bereich der Auswahl von Führungskräften ist ein grundlegender Paradigmenwechsel angezeigt. Anstatt von Ad-hoc-Entscheidungen, welche sowohl von strategischen Überlegungen als auch der Entwicklung des Führungsnachwuchses und der Führungskräfte entkoppelt sind, bedarf es einer ganzheitlichen Einbettung der Auswahl in das Personalmanagement.

1 Grundsatz der strategischen Nachfolgeplanung

Die Besetzung von Führungspositionen darf kein Ad-hoc-Verfahren sein, welches reaktiv durch einen anstehenden Altersabgang oder eine Beförderung ausgelöst wird. Vielmehr muss eine aktive Nachfolgeplanung erfolgen. Dazu sind bei anstehenden Altersabgängen rechtzeitig Überlegungen zur zukünftigen Gestaltung der Führungsposition und Auswahl eines passenden Nachfolgers einzuleiten. Dieser Planungsprozess muss mindestens zwei Jahre vor dem angedachten Altersabgang einsetzen, damit die ausscheidende Führungskraft beteiligt und ein aktiver Wissenstransfer zwischen ausscheidender sowie übernehmender Führungskraft organisiert werden kann. Das strategische Element besteht in der Berücksichtigung übergeordneter Erwägungen. Demnach muss bedacht werden, welche Änderungen an der Führungsposition bzw. den organisatorischen Rahmenbedingungen notwendig sind, damit die nachfolgende Führungskraft die strategischen Ziele (noch besser) umsetzen kann.

2 Qualifiziertes Anforderungsprofil

Eine strategische Nachfolgeplanung bedarf als Grundlage einer qualitativen Aufwertung der Anforderungsprofile. Dazu sollten innerhalb der Staatsverwaltung einheitliche Standards, etwa auf dem Wege einer Rechtsvorschrift, vorgegeben werden. (Vgl. bspw. Buchstabe E der VwV zu § 7 SäHo der für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen über einen Querverweis u. a. das Organisationshandbuches des Bundes für verbindlich erklärt. D. h. auch umfangreiche Konzepte könnten, etwa über das Haushaltsrecht, innerhalb der Staatsverwaltung für verbindlich erklärt werden.) Bei der Erstellung einer Anforderungsanalyse für eine Führungsaufgabe werden dazu die stellenscharfe Führungsbeschreibung, das Leitbild und der Kompetenzrahmen berücksichtigt.
Bei der Zusammenstellung sind konkrete Zukunftsvorhaben im Aufgabenbereich zu ermitteln. Diese können beispielsweise im Rahmen einer Auswertung mit dem Stelleninhaber erhoben oder aus Fachstrategien abgeleitet werden. Insbesondere sind Vorhaben festzulegen, welche im Zusammenhang mit den skizzierten Herausforderungen stehen. Dabei kann es sich z. B. um die Digitalisierung einer Fachanwendung oder die Einrichtung eines ebenenübergreifenden Wissensmanagements handeln.(Nach Erledigung muss die aufgabenbezogene Erwartungshaltung durch ein anderes Steuerungsinstrument ausgedrückt werden – etwa durch Zielvereinbarungen.) Daneben können auch Erwartungshaltungen im Hinblick auf Tagesgeschäfts oder längerfristige Qualitätsstandards festgelegt werden. Das qualifizierte Anforderungsprofil beschäftigt sich demnach planerisch-gestaltend mit den anstehenden Herausforderungen und beantwortet welche Kompetenzen voraussichtlich für die Bewältigung notwendig sein werden. Der Dienstherr bestimmt somit eine klare Erwartungshaltung an die auszuwählende Führungskraft. Mit dem qualifizierten Anforderungsprofil besteht sodann eine Beurteilungsgrundlage im Hinblick, ob nach der Erprobung der Führungskraft die Führungsaufgabe dauerhaft übertragen werden soll. Für das Leistungsprinzip besteht damit ein Maßstab zur Feststellung der Eignung im weiteren Sinne. Aufbauend auf dem qualifizierten Anforderungsprofil kann zudem durch die Ableitung konkreter Projekte eine Steuerung der Arbeit in den Betriebssystemen B und C erfolgen. Das aufgewertete Anforderungsprofil übernimmt somit auch Steuerungsaufgaben im Bereich der Organisationsentwicklung. Der PK I-Bericht weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass aussagekräftigere Anforderungsprofile die Transparenz des beruflichen Fortkommens steigern und dadurch die Motivation der Bediensteten erhöhen könnten.(Vgl. Sächsische Staatskanzlei, Abschlussbericht der Kommission zur umfassenden Evaluation der Aufgaben, Personal- und Sachausstattung, 2016, S. 64.)

3 Potenzialbeurteilung als Eignungsgrundlage

Der öffentliche Dienst rekrutiert seinen Führungsnachwuchs zum überwiegenden Teil aus den Reihen seines Bestandspersonals. Demnach stellt die Übertragung von Führungsaufgaben bisher die Fortführung einer vorherigen Fachkarriere dar. M. a. W.: Ein sehr guter Fachreferent wird in seinem beruflichen Fortkommen irgendwann zunächst an die Grenze seiner Fachkarriere stoßen, um diese Grenze sodann durch Beförderung hin zu einer Führungskarriere zu überschreiten. Ausgangspunkt für diese Grenzüberschreitung ist i. d. R. ein freiwerdender Dienstposten mit Führungsaufgaben, welcher nachbesetzt werden muss. Dazu wird ad hoc ein Stellenbesetzungsverfahren eingeleitet, wonach verschiedene Fachreferenten nach einer Leistungsschau beurteilt werden. Maßstab ist dabei ihre bisherige berufliche Leistung in ihren fachlichen Verwendungen. Die bisherigen Überlegungen haben aufgezeigt, dass sich die Anforderungen an eine Führungskraft im Hinblick auf seine Persönlichkeit und seine Kompetenzen jedoch deutlich von denen an eine Fachkraft unterscheiden. Auch das nunmehr qualifizierte Anforderungsprofil trägt dem Rechnung. Daher muss durch das Personalmanagement – unter Berücksichtigung von Erkenntnissen der verhaltensorientierten Führungs- und der Motivationsforschung – erkannt werden, welche Bediensteten potenziell Führungspersönlichkeiten sind. Entsprechende Ansätze betrachten Bedienstete sodann auch im Hinblick auf ihre Persönlichkeitsmerkmale oder Arbeitsmotivation.(Vgl. Steiner und Landes, Best-Practice-Sharing-Ansatz der Führungspersönlichkeitsentwicklung, 2017, S. 163 f.) Vor diesem Hintergrund bedarf es einer vorausschauenden Potenzialbeurteilung im Hinblick auf die Geeignetheit als Führungskraft. Maßstab dieser Beurteilung ist sodann weder der Ist-Zustand noch eine in die Vergangenheit gerichtete Leistungsschau, sondern eine fortlaufende Beobachtung verbunden mit einer Prognose zum möglichen Soll-Zustand. Dazu sind insbesondere individuelle Kompetenzen, Persönlichkeitsmerkmale, Motivation und Interessen durch die Personalentwicklung zu dokumentieren und auszuwerten. Während die Potenzialbeurteilung insgesamt den Ansatz verfolgt, Personaleinsatz und -entwicklung zu optimieren, dient sie im Bereich der Führungskräfte vorrangig zur Identifizierung des für einen Karrierepfad der Führung geeigneten Personals.(Vgl. Gourmelon und Knabe-Gourmelon, Potenzialanalysen, 2009, S. 397 ff.) Auch der PK II-Bericht schlägt vor, in Zukunft bei Ausschreibungen und Anforderungsprofilen weniger auf den IST-Stand möglicher Kandidaten zu setzen und stattdessen stärker auf die gesteuerte und fortlaufende Entwicklung sowie den Erwerb von Erfahrungswissen zu setzen.(Vgl. Sächsische Staatskanzlei, Ergebnisbericht der Kommission zur Ermittlung des künftigen Personalbedarfs, 2020, S. 86.)
Dem liegt noch eine weitere Überlegung zu Grunde. Das bisherige Auswahlsystem ist darauf ausgerichtet, rechtssicher einen geeigneten Bewerber auszuwählen. Aufgrund dieser Ausrichtung legt das System sein Augenmerk auf – statistisch ausgedrückt – die Verhinderung sogenannter Fehler 1. Art. Diese Fehlerart beschreibt dabei vorliegend die Auswahl eines nichtgeeigneten Bewerbers. Verdeckt werden dadurch die sogenannten Fehler 2. Art, welche vorliegend die Nicht-Auswahl eines geeigneten Bewerbers beschreiben.(Vgl. Triebel et al., Lernende Potenzialbeurteilung in der Personalauswahl, 2008, S. 40 ff. 64) M. a. W.: Bei einer Auswahl wird sehr aufwendig nach einem obsiegenden Bewerber gesucht, ob hingegen andere Bewerber grundsätzlich ebenfalls das Potenzial für eine vergleichbare Verwendung hätten, findet keine Beachtung. Dadurch wird einer- seits viel Aufwand beim Auswahlverfahren verschwendet und anderseits das ebenfalls ermittelte Potenzial unterlegender Bewerber nicht erkannt. Dies stellt im Ergebnis eine Verschwendung personaler Ressourcen dar. Durch eine Potenzialbeurteilung wird stattdessen dem Grunde nach versucht, das Potenzial aller Bediensteten zu erfassen und zu nutzen.

4 Fortlaufende Entwicklung des Führungsnachwuchses und Talentpool

Nachdem Bedienstete mit dem Potenzial für eine zukünftige Führungsverwendung identifiziert wurden, muss ihre Förderung und Entwicklung einsetzen. Damit wird der Bereich der Auswahl verlassen, jedoch müssen strategische Nachfolgeplanung und die eigentlichen Auswahlverfahren auf diesen Personenkreis ausgerichtet werden. Dazu könnten beispielsweise innerhalb der Staatsverwaltung sogenannte Talent-Pools eingerichtet werden. Anhand der Potenzialbeurteilung und den Ergebnissen der dienstlichen Beur- teilungen werden Bedienstete als Nachwuchstalente diesem Pool zugeordnet. Aufgrund dieser Zuordnung erfolgt eine Teilnahme an Führungsnachwuchsprogrammen, die Erprobung in Projektverwendungen und die sonstige Vorbereitung auf Führungsaufgaben. Begleitend erfolgt eine fortlaufende Verfeinerung der Potenzialbeurteilung, wobei die Ergebnisse regelmäßig in die dienstliche Beurteilung einfließen und dadurch bei Auswahlverfahren berücksichtigt werden können.(Vgl. Domsch et al., Laufbahnmodelle und Nachfolgeplanung für eine transparente und nachhaltige Entwicklung von Führungspersönlichkeiten, 2017, S. 216 f.) Auf diesem Weg kann auch das im Rahmen des PK I-Berichts vorgeschlagene Qualifizierungs- und Anreizsystem implementiert werden.(Vgl. Sächsische Staatskanzlei, Abschlussbericht der Kommission zur umfassenden Evaluation der Aufgaben, Personal- und Sachausstattung, 2016, S. 60.)Die Fortbildungsinitiative schlägt dazu bereits die Einrichtung der Führungskräftelehrgänge I und II vor. Der erste Lehrgang ist dabei u. a. zur Vorbereitung des Rollenwech- sels hin zur Führungskraft vorgesehen und vermittelt erstmals Führungskompetenzen. Der zweite Lehrgang ist für die kontinuierliche (Weiter-)Entwicklung von Führungskräften angedacht und soll zum Transport neuer Themen und Impulse genutzt werden.(Vgl. Hochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege (FH), Fortbildungszentrum des Freistaates Sachsen, Konzept für eine Fortbildungsinitiative im Freistaat Sachsen, 2020, S. 10–13.) Mit dem Grund- und Vertiefungskurs Digital Leader besteht zusätzlich der Vorschlag für eine spezielle Entwicklung im Bereich der Digitalen Transformation. Hier wäre zu prüfen, ob man dem Führungskräftelehrgang I einen weiteren niedrigschwelligen Lehrgang voranstellt, welcher durch alle Bediensteten der höheren Funktionsebene zu durchlaufen ist und eine Orientierung im Bereich Organisationsentwicklung, Digitale Transformation und Führung bietet. Neben einer Erweiterung des Horizonts für alle Bediensteten dieser Gruppe könnte auf diesem Weg bereits eine erste Einschätzung der Teilnehmer im Hinblick auf die Geeignetheit für eine Führungsverwendung erfolgen. Der Führungskräftelehrgang I wäre dann eindeutig der Einstieg in den Führungs-Karrierepfad.

Neben den klassischen (beamtenrechtlichen) Aufstiegs- und Qualifizierungsmaßnahmen, gewinnt auch die Entsendung zu externen Studiengängen an Bedeutung. So bietet etwa die Hertie School of Governance in Berlin u. a. für die dortige Senatsverwaltung flexible Executive-Master-Studiengänge für Berufstätige an. Auch die französische Kaderschmiede École nationale d’administration setzt auf acht- bis 16-monatige Master- programme für internationale Nachwuchsführungskräfte im öffentlichen Sektor.(Vgl. Stern et al., Die Besten, bitte, 2019, S. 14.) Der Vorteil derartiger Studiengänge liegt in einem ausdifferenzierten Kompetenzerwerb und der mit dem (erneuten) Studium verbundenen Persönlichkeitsentwicklung. Derartige Maßnahmen bieten sich auch für Führungskräfte aus gehobenen Funktionsebenen an, welche auf diesem Weg die notwendigen Bildungsvoraussetzungen für die höhere Funktionsebene erwerben können.

Zu klären ist jedoch, die rechtliche Zulässigkeit derartiger Entwicklungsmodelle, da sie eindeutig eine Vorwirkung auf Auswahlentscheidungen und somit Beförderungen entfalten. Grundsätzlich kann aber angenommen werden, dass transparente und verbindliche Modelle, welche eine geordnete Personalentwicklung bezwecken und ihre Begründung in den Kriterien einer Nachwuchsförderung und Leistungsfähigkeit der Organisationsstrukturen finden, auch seitens der Rechtsprechung als zulässige Wahrnehmung der Organisationshoheit akzeptiert werden.(Vgl. Lorse, Vorwirkungen personalwirtschaftlicher Maßnahmen auf beamtenrechtliche Auswahlentscheidungen – zulässig?, S. 77.)

5 Entwicklungsplanung

An die Auswahl einer Führungskraft sollte sich ein fließender Übergang in die Führungskräfteentwicklung anschließen. In der Regel wird die obsiegende Führungskraft dabei zu Beginn (noch) nicht alle Anforderungen des qualifizierten Anforderungsprofils und des übergeordneten Kompetenzrahmens erfüllen können. Dies gilt in besonderen Maßen bei der erstmaligen Übertragung einer Führungsposition und dem damit verbundenen Rollenwechsel. Daher soll aufbauend auf dem qualifizierten Anforderungsprofil, die weitere Entwicklung der Führungskraft verbindlich geplant werden. Grundlage dafür ist ein Abgleich zwischen den Anforderungen des qualifizierten Anforderungsprofiles und dem IST-Stand der neuen Führungskraft. Als Vorbild kann der Einarbeitungsplan der Stadtverwaltung Mannheim für neue Führungskräfte dienen. Für diese werden mit der Führungskraft Maßnahmen zur wertebezogenen, sozialen und fachlichen Integration vereinbart. Dieser Einarbeitungsplan bezieht sich maßgeschneidert auf den Dienstposten und die Vorkenntnisse der Führungskraft. Führungskraft und Personalentwickler setzen sich dazu sowohl mit den konkreten Anforderungen der Führungsaufgabe, den neuen Führungszielen, als auch mit den Kompetenzen der Führungskraft auseinander. Dadurch wird ein fortlaufender Reflexions- und Lernprozess initiiert. Für Führungskräfte, welche an einer Verwaltungsfachhochschule ausgebildet wurden, wird in diesem Rahmen zusätzlich ein mit einer Hochschule entwickelter Weiterbildungsstudiengang angeboten, welcher gezielt Managementkompetenzen vermittelt.(Vgl. Schmitt, Vom Verwalten zum Gestalten, 2017, S. 161 f.) Der Charakter als verbindliche Vereinbarung nimmt die Führungskraft zudem partizipativ in Verantwortung. Überdies können bei der Festlegung auch Interessen und Eigenheiten der jeweiligen Führungspersönlichkeit berücksichtigt werden. Inhaltlich können neben Fortbildungsmaßnahmen beispielsweise auch eine Begleitung durch Mentoring oder Coaching vorgesehen werden. Ebenfalls sollte auf diesem Weg sogleich die Verankerung der Teilnahme an Führungszirkeln erfolgen. Im Ergebnis würde dadurch insgesamt auch dem Vorschlag des PK I-Berichtes gefolgt, Fortbildungen zukünftig stärker als verbindliche Voraussetzung für die Übertragung höherwertiger Dienstposten zu verankern.(Vgl. Sächsische Staatskanzlei, Abschlussbericht der Kommission zur umfassenden Evaluation der Aufgaben, Personal- und Sachausstattung, 2016, S. 60.)

Quelle: Christoph Böhm, Dresden

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